Projekte | projects
DEEP SEA: Städtische Galerie Bremen / Ystads Konstmuseum
Ungeheuer 4 | monster 4, 2018,
Öl auf Holz | oil on wood, 40 x 30 cm
Serie Ungeheuer | series monster, 2018,
Städtische Galerie Bremen
Auge 1 | eye 1, 2018,
Öl auf Holz | oil on wood, 20 x 30 cm
Ungeheuer 1 | monster 1, 2018,
Öl auf Holz | oil on wood, 40 x 40 cm
Ungeheuer 6 | monster 6, 2018,
Öl auf Holz | oil on wood, 40 x 30 cm
Nur wenige von uns werden jemals den Bewohnern der Tiefsee in den düsteren Tiefen des Ozeans begegnen. Nur erfahrene Taucher und Wissenschaftler werden Quallen, Kraken und Kalmare in dem scheinbar schwerelosen und grenzenlosen Zustand ihres natürlichen Lebensraums schweben sehen und mitbekommen, wie sie umherstreifen, jagen oder von anderen Wasserräubern gejagt werden.
Die meisten von uns werden sie nie in Aktion und in ihrer vollen Schönheit bewundern – eine Schönheit, die fast unvorstellbar ist, wenn man bedenkt, wie die formlosen Kadaver aussehen, die hin und wieder vom Meer ausgespuckt an unseren Ufern angespült werden.
Svenja Wetzensteins Gemälde Ungeheuer von 2018 beschäftigen sich mit diesen dekontextualisierten Tieren, sei es als zerklüftete, verwundete Körper am Strand oder als isolierte Exemplare, die in Aquarien dahinsiechen. Sie analysiert die populäre Darstellung von Architheutis dux, dem Riesenkalmar, einer Art, die zu den größten lebenden Organismen zählt und in allen Ozeanen der Welt vorkommt.
Im Zentrum von Wetzensteins Bildern steht eine ungleiche (Inter)Aktion, die von der Neugier und Dominanz der Menschen getrieben wird: der wissenschaftliche Blick. Anhand von Fotografien, die aus Zeitschriften und anderen Medien stammen, zeigt uns die Künstlerin, dass unser Verständnis dessen, was diese Kreaturen sind, auf einer Konstruktion und nicht auf einer wesentlichen Wahrheit beruht.
Was wir sehen, ist eine gallertartige Ansammlung von Augen, Tentakeln und Muskelgewebe. In Wetzensteins Interpretation ist das fleischige Motiv in hellen, pastellfarbenen Ölfarben auf Holztafeln gemalt. Die Bilder sind durchzogen von durchscheinenden Partien, in denen die Maserung des Holzes wellenartige Strukturen hervortreten lässt. Der Farbauftrag ist stellenweise lasierend, stellenweise besteht er nur aus leichten Sprenkeln. Die deckend gemalten Flächen bilden hingegen eine facettenartige Struktur, die wie Perlmutt schimmert. Hierdurch erreicht Wetzenstein einen traumhaften, malerischen Eindruck, der an Märchenillustrationen denken lässt und auf die jahrhundertealten Mythen verweist, die mit den Kreaturen der Tiefsee verbunden sind.
Das von der Künstlerin referenzierte Bildmaterial ist jedoch weder historisch noch fiktiv, im Sinne einer literarischen Schöpfung. Es behauptet, faktisch zu sein, auch wenn es von Menschen gemacht ist und nur sorgfältig ausgewählte Teile der Realität abbildet. Die Kalmare, die Wetzenstein darstellt, sind aus ihrem natürlichen Lebensraum gerissen und existieren nur als Studienobjekte, um unseren Wunsch nach dem Extremen, dem Monströsen und dem Verborgenen zu veranschaulichen und zu befriedigen. Aber die zugrundeliegende Frage ist: Wer ist das eigentliche Monster in jedem dieser Bilder? Der zerlegte, gefangene oder verendete Tintenfisch? Der Mensch, der auf das langsam zerfallende Fleisch eines sterbenden Tieres starrt? Oder die mediale Maschinerie hinter der Kamera, die den Moment der Begegnung als spektakuläre Gegenüberstellung des Überlegenen und seines „Anderen“ umrahmt?
Few of us will ever encounter the inhabitants of the deep sea in the murky depths of the ocean. Only experienced divers and scientists will see jellyfish, octopi and squid floating in the seemingly weightless and limitless state of their natural habitat, and how they roam, hunt or are hunted by other predators.
Most of us will never admire them in action and in their full beauty - a beauty that is almost unimag-inable, considering the formless carcasses that are spewed on our shores at times from the sea.
Svenja Wetzenstein‘s Monster from 2018 deals with these decontextualized animals, whether as rugged, wounded bodies on the beach or as isolated specimens that languish in aquariums. It analyzes the popular representation of Architheutis dux, the giant squid, a species that is one of the largest living organ-isms and is found in all oceans in the world.
At the center of Wetzenstein‘s paintings is an unequal (inter)action, driven by the curiosity and dom-inance of human beings: the scientific gaze. Using photographs from magazines and other media, the artist shows us that our understanding of what these creatures are is based on a construction, not a material truth.
What we see is a gelatinous accumulation of eyes, tentacles and muscle tissue. In Wetzenstein‘s interpretation, the fleshy motif is painted in bright, pastel-colored oil paints on wooden boards. The pictures are permeated by translucent parts in which the grain of the wood gives rise to wave-like structures. The paint application is glazed in places, in places it consists only of light speckles. The opaque painted surfaces, on the other hand, form a faceted structure that shimmers like mother-of-pearl. As a result, Wetzenstein achieves a dreamlike, painterly impression that is reminiscent of fairy-tale illustrations and refers to the centuries-old myths associated with the creatures of the deep sea.
However, the pictorial material referenced by the artist is neither historical nor fictitious, in the sense of a literary creation. It claims to be factual, even if it is man-made and depicts only carefully selected parts of reality. The squids that Wetzenstein represents are torn from their natural habitat and exist only as study objects to illustrate and satisfy our desire for the extreme, the monstrous and the hidden. But the underlying question is: who is the real monster in each of these pictures? The decomposed, caught or died octopus? The human staring at the slowly decaying flesh of a dying animal? Or the media machinery behind the camera, which framed the moment of the blending as a spectacular juxtaposition of the supe-rior and his “other”?
ReFORMation • erneuern - wandeln - überschreiten | renew – transform – exceed
Blindbogenausgestaltung | shaping blind arch | Kulturkirche St. Stephani Bremen
Nachtvogel ist das alte, bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gebräuchliche Wort für Nachtfalter.1 Der Nachtfalter bzw. Nachtschmetterling ist seit der griechischen Antike ein Symbol für die Seele des verstorbenen Menschen bzw. für deren Unsterblichkeit. Das griechische Wort für Schmetterling ist Psyche.2
Der Schmetterling ist ein „Sinnbild zugleich der Kurzlebigkeit wie der ewigen Fortdauer, wurde den Menschen schon in früher Zeit zum Gleichnis und Wappentier der Seele“.3 Der Aspekt der Unsterblichkeit ist auf die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling zurückzuführen. Ein anderes Wort für den Schmetterling ist Seelenvogel.
Sowie der Tod den Menschen aus der sterbliche Hülle befreit, so verlässt der Schmetterling seine dunkle Puppenhülle.Die Raupenmühen entsprechen dem mühevollen irdischen Dasein, die Verwandlung zum wunderschönen, fliegenden Falter entspricht der Befreiung der Seele und ihrer Aufnahme in den Himmel. Er ist also ein Sinnbild für die durch den physischen Tod nicht zu zerstörende Seele.4
Der Nachtfalter wird häufig auf Grabsteinen abgebildet, um die Hoffnung auf Wiederauferstehung darzustellen. Besonders beliebt war dieses Symbol in der Zeit der Romantik (siehe Abb. oben: Gertrudenfriedhof Oldenburg; Stein von 1818).
Das Bild des Schmetterlings hat eine besondere Bedeutung für Holocaust-Opfer. In den Kinderbaracken des Maidanek-Lagers in Polen wurden Hunderte von Schmetterlingsbildern gefunden, die mit Hilfe von Steinen und Fingernägeln in die Wände gekratzt wurden. Den Kindern war bewusst, dass sie sterben würden, sie stellten sich vor, sie würden sich nach dem Tod in Schmetterlinge verwandeln.
S.W.
1: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/roesel1761bd4 (Zugriff | access 30.12.2019); 2: Karl Kerényi: Urbilder der griechischen Religion, Klett-Cotta, S. 121; 3: Hermann Hesse: Schmetterlinge, Insel Bücherei Nr. 1348, Berlin, 2011, S. 12; 4: Udo Becker: Lexikon der Symbole, Komet Verlag, Köln, 1992, S. 260.
Nachtvogel | night bird, 2017,
Wandmalerei | wall painting, ca. 400 x 210 cm
Nightbird is the old term for a moth and was used until the second half of the 18th century.1 Moths and night butterflies are both symbols of the soul that ascends from the deceased and of immortality. This imagery exists in Ancient Greece. The Greek word for butterfly is “psyche”.2
Butterflies are an allegory both of ephemerality and eternity and became a simile and heraldic animal of the soul in early times.3 It hints at the belief in immortality. The aspect of immortality leads back to the metamorphosis of the caterpillar into a butterfly. Another word for butterfly is soul bird.
In the same way as death releases people from their body, butterflies leave their dark pupa. The labour of the caterpillar corresponds to the toilfilled existence in the world of any creature; the metamorphosis into a beautiful floating butterfly corresponds to the release of the soul and its arrival in heaven. It is an allegory of the soul that cannot be destroyed by physical death.4
Moths are often shown on tombstones. They are images of the hope for resurrection. In the Romantic era this symbol was especially popular (refer to upper image Gertrudenfriedhof Oldenburg; tombstone from 1818).
The image of the butterfly has a special meaning for Holocaust victims. Hundreds of butterfly pictures were found in the children‘s barracks of the Majdanek concentration camp in Poland. They were scratched into the walls by the children using stones and fingernails. The children were aware that they were going to die, and imagined they would turn into butterflies after death.
S. W.
1: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/roesel1761bd4 (Zugriff | access 30.12.2019); 2: Karl Kerényi: Urbilder der griechischen Religion, Klett-Cotta, S. 121; 3: Hermann Hesse: Schmetterlinge, Insel Bücherei Nr. 1348, Berlin, 2011, S. 12; 4: Udo Becker: Lexikon der Symbole, Komet Verlag, Köln, 1992, S. 260.